454,1 km in 72 Stunden – Österreich-Rekord

  • 1. Juni 2021

3 Tage im Kreis – neuer Österreich Rekord: 454,1km

„Es ist die größte Gabe die wir Menschen besitzen – Schmerzen auszuhalten ohne daran
zu zerbrechen und sie ist entstanden aus der menschlichsten aller Fähigkeiten: Der Hoffnung“

Liebe Freunde des Sports, 

der heutige Bericht wird keine 72 Stunden lang zum Lesen dauern doch waren die 3 Tage auf der 1,909km Runde alles andere als monoton. Dank meiner tollen Betreuercrew war steht`s immer neuer Wind mit dabei und sie hielten mich moralisch als auch aufmunternd immer stehts auf Laune. Denn wie ihr auch in diesem Bericht lesen werdet kam mir auch einmal der Zweifel ob ich es schaffen werde doch dazu hier mehr:

Dazu wollen wir jedoch ganz nach vorne spulen …

Wir bitten wieder Rechtschreibfehler zu entschuldigen, dafür gibts wieder einen emotionalen mit leichten Schlafentzug geschriebenen Bericht vom 72 Stundenlauf Österreich Rekordversuch.

TAG 1 – Start, 23.05.2021, 10:00 – Lassee, 72 Stundenlauf 

Die Strecke ist meine Hausstrecke. Eines meiner sportlichen Lebensziele war es, einen Österreich Rekord in meiner Heimatgemeinde Lassee zu laufen; und diesmal sollte es auch klappen. Der Rundkurs betrug 1,909km. Bei meinem Haus wurden der Start und Zielbereich eingerichtet. Drei kleine Pavillons, eine Zeitmessmatte samt Zeitmessuhr und Verpflegungstisch machten die Event Area perfekt.

Es galt, den Österreich Rekord von Franz Sack (430 km) zu knacken. Kein leichtes Unterfangen. Bereits vom Start an fing es an zu regnen. Ein schlechtes Omen? Ich bin überhaupt keine Wasserratte, das positive jedoch, mit der Zeit habe ich gelernt Dinge einfach als „Schön“ wahrzunehmen. 

Es ist schön den Regen zu spüren.
Es ist schön den Wind zu spüren.
Es ist schön die Sonne zu spüren.
Es ist schön Schmerzen zu spüren.
Es ist schön zu spüren da es bedeutet, dass du am Leben bist. 

Mit diesem Mindset klappt es recht gut, sich durch Sturm und Regen zu kämpfen. 

Der Startschuss wurde von meinen Ultralauffreund und ORF MoneyMaker Alexander Rüdiger und dem Lasseer Bürgermeister Roman Bobits geschossen. 

Andreas Kapui war als einziger Starter ebenso mit dabei. Er nutzte die Chance, um auch selber sich an seine Grenzen zu bringen und ich selber war ebenso enorm froh, Andy als moralische Unterstützung an meiner Seite zu haben. Denn wenn man alleine auf so einem Rundkurs läuft, freut man sich, wenn zumindest einer ebenso mitläuft damit man nicht so vereinsamt in den ruhigen, leeren Abend- und Nachtstunden. 

Der Start war um 10:00 Uhr am Sonntag angesetzt. Wie gesagt, ein Regentag. Alle 12 Stunden war ein Richtungswechsel vorgesehen. Zum einen diente er als mentaler Anker und weiters wurden so auch die Gelenke nicht einseitig abgelaufen.

Da ich immer wieder gefragt werde, wie man das mental aushält, ist meine Antwort recht simpel: Ich halte mich an jeden mentalen Grashalm fest und trickse so meinen Kopf aus. Dies kann eine Runde Zahl sein wie km 320 oder eine Dreifach-Zahl wie km 222. Die Klassiker und großen Anker sind die komplett Runden km-Zahlen (100, 200, 300, 400), hier wurde auch mit einem Bengalo das abhacken des Ziels zelebriert. 

Weiters arbeite ich mich anfangs in 50-km-Schritten mental voran, und je härter und schmerzhafter es wird, versuche ich auf 10-km-Schritte bis hin zu 5-km-Schritten mich mental hinzu kämpfen. Ebenso hole ich mir mentalen Push durch die Motivationsschreiben der vielen Freunde in den Social Media Kanälen, auch von den Arbeitskollegen und Freunden vor Ort, die mitlaufen, applaudieren und natürlich den Anrainern, die sogar auf die Straße Motivations-Schreiben und Glückwünsche hinterließen.

Die ersten 50 km konnten in etwas unter 5 Stunden absolviert werden. Mir war es vor allem wichtig, mich nicht zu stressen: Ich habe Zeit. Doch es ist leichter gesagt als getan. Man ist dann doch irgendwie gebunden immer wieder auf die Uhr zu schauen: Bin ich zu schnell? Muss ich langsamer? und … und…. 

Die Regenschlacht ging weiter …

Andy formulierte es exakt richtig. Anfangs versuchte man noch, den Wasserlacken auszuweichen, nur irgendwann hat es dann schon so viel geregnet, dass auch dies nicht mehr möglich war. Doch Andy hatte mit dem Regen, vor allem mit dem Durchweichen seiner Schuhe am meisten zu kämpfen. 

Ich tratschte auch immer wieder mit ihm, was uns auch beiden gut tat, weil man ja dann doch auf der 1,909-km-Runde uns jetzt nicht allzu oft immer sieht. Wie heißt es so schön: Kein Weg ist zu weit mit einem Freund an seiner Seite. 

Die ersten 100 km sind geschafft!

Es war der erste große mentale Anker, der nun erreicht werden konnte: km 100 ! Daraufhin stieg der Rauch des Bengalos in die Luft empor und ich gönnte mir eine kleine warme Dusche. Die Kälte und Nässe machte es notwendig, da man sofort auch bei einer kleinen Pause in einen Schüttelfrost hineinfällt und das Immunsystem absackt. Da tat die warme Dusche richtig gut und man lernt es so seehhhrrr zu schätzen. 

Neuer mentaler Anker: 150 km

Nach knapp 40-minütiger Pause ging es wieder auf die Laufstrecke. Mein Ziel war es auch, immer wenn ich die Runde beginne zu laufen, diese auch wirklich zu laufen. Man neigt mit der Zeit dann dazu aufgrund der normal kommenden Schmerzen, aufgrund der Länge des Laufs, in eine Art Komfortzone zu fallen und irgendwann zu gehen. Dies wollte ich verhindern, bzw. habe für mich beschlossen zu laufen, und nur dann stehen zu bleiben, wenn ich beim Start/Zielbereich angekommen bin. Da kann ich das Stehenbleiben zumindest sinnvoll mit Essen und Trinken nutzen.

Dank der tollen Unterstützung von Peeroton Winner Stuff, Bäckerei Geier und der Pizzeria Lassee war ich als Läufer gut versorgt, aber auch meine Betreuercrew. Denn auch sie sollte genügend Energien haben, denn gerade das Betreuen ist bei den schirchen und kalten Temperaturen auch nicht ohne. 

Nun ging es weiter. Die erste Nacht bricht an und es folgte die Stirnlampe und die Warnweste. 

In der Nacht habe ich für mich entschlossen, mit dem IPod zu laufen und Musik zu hören. Ich wollte mich mit der Musik ablenken. Tagsüber waren zumindest Autofahrer, die applaudierten bzw. winkten oder Fußgänger unterwegs mit denen ich kurz ins Tratschen kam doch nachts war gähnende Leere. 

Andy zog weiterhin seine Runden und kämpfte weiterhin wacker. 

Die erste Nacht gut überstanden, die ersten 24 Stunden geschafft!

Mit knapp 180km konnte ich die ersten 24 Stunden bewältigen. Es war okay. Es war anstrengend, aber nicht so dass ich sagen kann es hat irgendwas gestört, gezwickt oder weh getan. Ich war überglücklich auf der Anzeigeuhr die 24 Stunden lesen zu können. Je höher die Zeit hinauf läuft umso geiler empfand ich es auch. 

Tja, so wie der Sonntag war, wurde jedoch auch der Montag. Es regnete. Das hinterlistige an der ganzen Sache war jedoch das ON/OFF Wetter. Es fing eine Stunde zum Schütten an, danach wurde es 30 Minuten wieder etwas wärmer und hörte auf, bis kurzerhand wieder ein Regenguss kam. Teilweise war man gerade erst trocken geworden, schon kam der nächste Regenguss. 

Für Andy sowieso noch blöder, da bei ihm sich eine ziemlich arge Blase an der Fußsohle bildete, welche sehr schmerzhaft aussah. Bilder werden nicht gesendet, um euch jetzt nicht allzu sehr aus der Bahn zu werfen. Sogar Facebook zensierte sein Blasenfoto. 😉

Die Zeit verflog und ich gönnte mir wieder eine warme Dusche, fütterte meine Katze, denn auch diese sollte während der 3 Tage nicht verhungern müssen, und wenn‘s mir mental so richtig schlecht ging, so kuschel ich auch bei einem kurzen 20 minütigen Powernap mit ihr. Diese Dinge schreibt nur das Leben. 

Betreuerin Birgit reiste extra aus Graz an, um mich zu unterstützen. Sie schwang sich hin und wieder auch mal aufs Rad bzw. lief mit. Dies half mir auch ein wenig auf andere Gedanken zu kommen. Ich habe bereits beim 48-h-Lauf bemerkt, dass auch sie für mich eine wichtige Motivationsstütze geworden ist, wie auch alle Personen meiner Crew vor Ort. Da gibts keine Ausnahmen. 

Die Anrainer applaudierten aus den Fenstern und fragten mich auch, wie es mir so geht und ob alles passt. Ich nickte, und war guter Dinge und immer wieder froh über ein kleines nettes Gespräch.  

Ebenso eine tolle Abwechslung waren die Live-Videos bei Intersport Winninger. Beinahe jeden Tag wurden zwei Live Video-Updates auf der Social Media Seite von Intersport Winninger gemacht. Ich konnte hier ein wenig das Leben eines Ultraläufers näher bringen und ich freute mich auch immer wieder, live on Air zu gehen. Es war mir ein Fest. 

Andy musste leider aufhören. In der späten Nachtstunde verkündete er, dass er zu starke Schmerzen am Fuß hat und er nicht mehr weiß, wie er landen soll beim Laufen; doch er würde mich beim Zieleinlauf unterstützen und dies motivierte mich, auch wenn ich nun allein auf der Strecke war, weiter zu laufen. 

TAG 2 – Nun ging es in Richtung 48 Stunden. Ein Knackpunkt. 

Nach der zweiten Nacht, die mit Sturm und Regen ein extrem hartes Unterfangen war, ging es nun in den Dienstag hinein in Richtung 10:00 Uhr. Die 48 Stunden Marke. Aber davor fiel noch …

… die 300-km-MARKE!!!!

Eine Riesenfreude. Ich schaffte innerhalb der 48 Stunden 322 km. Mega glücklich, denn ich war noch voll auf Kurs. 

Dank der Unterstützung von Intersport Winninger und Saucony war ich Laufschuh-technisch auch sehr gut ausgestattet. Vor allem lief ich mit dem Saucony Hurricane. Ein gestützter extrem weicher Schuh gerade für solche extremen Ultras ein Traum, wusste aber, dass mein Fuß schrittweiße anschwellen würde und ich dann sogar gegen Ende von Größe 45 auf Größe 48 springen musste. Zum Glück hatte ich noch den Saucony Kinvara in Größe 48 dabei.

Der Dienstag war ein wenig anders als der Sonntag und der Montag. Es lag einfach daran, dass der Montag auch noch ein Feiertag war und nun die Meisten gerade in der Arbeit waren. Das spürte man auch auf der Strecke. Es waren weniger Menschen unterwegs. So nutzte ich die ruhige Phase wieder mit Musik vom Ipod. Immer wieder kamen aber auch Freunde und Anrainer vorbei und liefen dann auch noch paar km mit.

Ich lief mit einer Wanderjacke und mit einer Puddelhaube. Tonnenweiße nasse Wäsche, aber egal, Hauptsache irgendwas Trockenes, und da tuts auch eine Wanderjacke zum Laufen. Man muss mal improvisieren. Während der Rest noch am Trocknen ist, versuchte ich irgendwelche trockenen Sachen zusammen zu kratzen. Die Dusche nahm ich wieder in Kauf, auch um die Muskeln ein wenig zu wärmen, dann gab es auch mal einen Kaffee, denn geschlafen wurde ja nicht so richtig viel. Irgendwann half der Kaffee und das süße Zeugs nichts mehr. Die Müdigkeit war ein Dauerburner. 

2 Stunden Schlaf in 3 Tagen

Dementsprechend müde war ich schon. Teilweise machte ich auch während des Laufens meine Augen zu und sah Flamingos vor mir stehen die sich schlussendlich als Postkasten herausstellten. Gefinkelt!

Das Laufen wurde mehr zum Schlürfen und mit jeder gemeisterten Runde kam ich näher zu meinem Ziel die 430 km zu knacken. 

TAG 3 – Extreme Schmerzen und die Angst aufhören zu müssen.

Ich wechselte sehr oft die Schuhe. Das ist ganz normal bei solch langen Läufen. Ja, eigentlich habe ich auch während des Laufens Zähne geputzt und mich rasiert, auch das ist eigentlich normal bei solch langen Läufen, auch wenn‘s ein bisschen komisch für Außenstehende aussehen mag, die gerade mit dem Auto vorbei fuhren und große Augen machten. Aber das ist 72 Stundenlaufen, alles andere als normal!

Die letzte Nacht brach herein. Hauptbetreuer Christian Weingartner gab mir die Anweisung bis spätestens 24:00 Uhr die 400-km-Marke zu knacken. Dies tat ich auch, und war überglücklich um 23:30 Uhr die 400 km erreicht zu haben.

Die Schmerzen in den Beinen waren nicht mehr schön, sie waren schon richtig dick angeschwollen. Ich ging ins Haus, duschte mich und schlief 1 Stunde bis mich Diana am Morgen aufweckte. 

Ich stand auf und konnte auf mein rechtes Bein nicht mehr steigen, ich schaffte es nicht ohne zu humpeln. Mir wurde teilweise sehr schlecht und übel und musste beim Gehen stehen bleiben und tief ein- und ausatmen. Der Schmerz war einfach stark und dies wiederspiegelte sich mit Übelkeit. 

Die rettende Idee – Bandage. 

Ich versuchte tief Luft zu holen und habe mir angelernt, problemlösungsorientiert nun wieder vorzugehen. Wie kann ich meinem Fuß am besten helfen: Erstens: Frische Socken, die am besten auch weit sind und keinen strengen Bund haben, die Saucony Kinvara in Größe 48 (Anm. meine normale Größe ist 45) und die Sportbandage drüber. 

Ich ging mit Diana um 02:00 Uhr wieder auf die Laufstrecke und versuchte, nicht zu Gehen sondern gleich zu Laufen. Ich hatte natürlich aber auch Angst, weil, wenn der Schmerz weiterhin so stark wie im Haus sein sollte, dann müsste ich wohl kurz vorm Ziel ans Abbrechen denken. Es tat weh, sehr weh, aber nicht extrem weh, ich humpelte und nach 3 km, nachdem ich warmgelaufen war, wurde der Laufschritt auch schon wieder besser und schöner. Ich atmete durch, denn es war das Zeichen: JA DU KANNST ES, DU WIRST ES SCHAFFEN.

Ich übermittelte Diana die frohe Botschaft, dass der Fuß einigermaßen okay ist und ich endlich wieder laufen kann. 

Ich benötigte nun 30 km noch bis zum Österreich-Rekord und ich schaffte es auch, die 30 km zu laufen. Diana übergab mit die Österreich Fahne und ich lief in den Österreich Rekord hinein; ab nun hieß es, den Rekord zu verbessern: Also viele Kilometer noch drauf zu preschen, denn ich hatte noch 4 Stunden Zeit, auch wenn ich schon  am Zenit war, versuchte ich alles daran zu setzen, um nochmal alles zu geben. Ich wollte verhindern, zu oft in den Gehtrott zu verfallen, sondern mehr schnellere km anzugehen. (Schnell bedeutete 6:30 bis 7:00 Min. Schnitt) nach geschlagenen 430 km. 

Und ja was soll ich sagen… emotional ging es in meine letzten zwei Runden rein. Ich war so am Ende, und so voller Freudentränen nach den ganzen schwierigen Herausforderungen wie Sturm, Regen, Sonne, Kälte, Fußschmerzen, Übelkeit, dass ich mir selbst das nicht zugetraut hätte mit solch vielen schwierigen Umständen klar zu kommen. Doch es hat geklappt und das sicherlich auch dank des tollen Betreuerteams: Christian, Thomas, Birgit, Diana, Markus aber auch die vielen anderen helfenden Hände.

In der letzten Runde begleitete mich auch Bürgermeister Roman Bobits – und es war geschafft:

Österreich Rekord

Auch Andy war, wie versprochen beim Ziel dabei und ich war ihm über alles dankbar, dass er gemeinsam mit mir in diesen Lauf gestartet ist. Ohne Andy hätte ich so einiges nicht schaffen können und dafür bin ich ihm über alles dankbar – das kann man hier auch nicht mehr in Worte fassen. 

Was auch ganz wichtig noch zu erwähnen ist, dass Andy seinen Lauf für die Schmetterlingskinder nutzte, wo auch ich mich direkt angeschlossen habe. Ein großes Dankeschön gilt auch dem Bürgermeister von Lassee, Roman Bobits, und Diana, die sich ebenso entschlossen haben, für die Kinder zu spenden. So gab es dem 72-Stundenlauf auch noch einen größeren, guten Sinn. Denn was bedeuten schon die Schmerzen bei 72 Stunden Laufen, wenn manche Kinder ein Leben lang schmerzen haben. Worte von Andy! 

In diesem Sinne möchte ich mich auch bei euch bedanken, meinen treuen Leser/innen, die auch mir sehr viel bedeuten, und ich hoffe, dass euch mein Bericht gefallen hat und ihr euch auch ein bisschen hinein versetzen konntet.

Ich wünsche allen viel Gesundheit und hey, stoßen wir an auf unseren neuen

Österreich-Rekord im 72-Stundenlauf mit 454,1km!

DANKEEEE!!!!

Sportliche Grüße

Rainer Predl
& die Funkenflieger Crew